Samskaras: Alte Muster erkennen und verändern
Automatismen lotsen uns durch den Alltag. Die Reihenfolge deiner Kleidungsstücke beim Anziehen, Höflichkeitsfloskeln und Standardantworten in Gesprächen – vieles davon passiert völlig unbewusst. Einmal gelernt und verinnerlicht, denken wir beim Handeln nicht mehr viel nach. Das Konzept der Samskaras beleuchtet all die festgefahrenen Prägungen und Gewohnheitsmuster, die wir im Leben erfahren haben. Die Sache ist: Nicht alle davon sind positiver Natur. Manche halten dich gefangen und hindern deine Weiterentwicklung. Um deine eigenen Samskaras zu erkennen und überwinden, lass uns einen kurzen Exkurs in Yoga-Philosophie machen.
Was sind Samskaras?
Der Begriff „Samskara“ stammt aus dem Sanskrit und setzt sich aus „Sam“ (zusammen) und „Skara“ (Handlung, Ursache) zusammen. Es beschreibt die Ursache unseres Handelns und unserer tief verwurzelten Überzeugungen.
Alle Samskaras liegen in unserem Geist (Chitta) verborgen, im Unterbewusstsein. Je stärker wir eine Emotion mit einer Erfahrung koppeln, umso tiefer verankert sich der entstandene Eindruck in uns. Bestimmte Gerüche können besonders lebendige Erinnerungen hervorrufen, da sie im limbischen System (Teil des Gehirns, der für Emotionen und Erinnerungen zuständig ist) verarbeitet werden. Gleich verhält es sich auch mit den Samskaras, die unsere Wahrnehmung und Reaktion auf Ereignisse, Menschen oder unsere Umgebung beeinflussen.
Die Entstehung von Samskaras
Stell dir vor, du gehst immer wieder denselben Weg durch einen Garten – mit der Zeit bildet sich eine deutliche Spur im Gras. Durch wiederholte Gedanken und Erlebnisse entstehen automatische Reaktionen, auch als Konditionierung bekannt.
Denke an einen Apfel: Erinnerst du dich an den saftigen Geschmack beim Reinbeißen? Ohne den Apfel zu essen, kannst du die Erinnerung an den Geschmack ohne Probleme hervorrufen. Diese Prägungen wirken sich auf unsere ganze Wahrnehmung aus und formen unsere Persönlichkeit.
Siehst du eine alte, schwache Frau mit viel Gepäck, das sie kaum mehr tragen kann, entsteht in dir Mitgefühl. Dieses Gefühl der Empathie ist dir bereits bekannt und du neigst dazu, ihr zu helfen. So könnte sich ein positives Samskara äußern.
Hast du in vergangenen Beziehungen wiederholt negative Erfahrungen gemacht, könnten bestimmte Muster in neuen Beziehungen wieder auftreten, sei es Misstrauen, Bedürftigkeit oder Unabhängigkeit.
Ähnlich wie bei einer Sucht, halten uns negative Samskaras in einer Abhängigkeit, einem automatisch ablaufenden Prozess, gefangen. Insbesondere in der yogischen Philosophie gelten Samskaras als eine Hauptursache für Leid (Dukkha).
Die gute Nachricht: Du kannst negative, festgefahrene Samskaras mithilfe einiger Techniken durchbrechen und überwinden.
Die Rolle von Samskaras im Yoga
Jeden Tag sind wir umgeben von Eindrücken, die von unserem Geist verarbeitet werden. Mit der Zeit verfestigt sich ein bestimmtes Bild von der Welt und die eigenen Handlungen werden von dieser Vorstellung, den Samskaras, gesteuert.
Das kann verschiedene Auswirkungen haben:
Verhalten und Gedanken:
- Automatisches Handeln: Ohne bewusst nachzudenken, übernimmt unser Autopilot die Steuerung über unser Verhalten
- Denkmuster: Eingravierte Gedanken formen sich zu Prägungen und formen unsere Weltanschauung
- Gewohnheiten: Entwickelt aus ständig ablaufenden Verhaltensmustern entwickeln sich Routinen
- Emotionale Reaktionen: Samskaras können in bestimmte Situationen starke Emotionen hervorrufen, die auf vergangenen Erfahrungen basieren
- Stimmung: unser emotionales Wohlbefinden kann dadurch ins Wanken geraten
Körper und Gesundheit:
- Stressreaktionen: Bestimmte Samskaras können Stress im Körper auslösen, was zu erhöhtem Blutdruck und Spannungszuständen führen kann
- Gesundheitliche Auswirkungen: Durch den erzeugten Stress negativer Samskaras kann unser Immunsystem beeinflusst werden und das Risiko für stressbedingte Erkrankungen erhöhen
All das passiert unterbewusst und ist nur teilweise zugänglich. Ziel der Yoga-Praxis ist es, die unverschleierte Realität zu erkennen und das eigene samskarische Gepäck Schritt für Schritt aufzulösen. Warum ist es so wichtig für die persönliche und spirituelle Entwicklung? Vergleichbar mit unserer Verdauung, kann sich unverdaute Energie aufstauen und nicht mehr richtig fließen. Wenn wir also eine Erfahrung nicht vollständig verarbeiten können, bleibt ein Teil dieser Energie in uns zurück.
Im Laufe der Zeit staut sich immer mehr an und es wird immer schwieriger, es loszulassen.
Samskaras erkennen
Den ersten Schritt zur Transformation hast du bereits getan, indem du bis hierhin gelesen hast.
Folgende 4 Tipps können dir außerdem helfen:
- Achtsamkeit im Alltag: Achte auf wiederkehrende Denkmuster oder Reaktionen in verschiedenen Situationen. Gedanken wie „Ich bin nicht gut genug“ könnte auf ein tieferes Samskara der Selbstzweifel hinweisen
- Tagebuchführung: Notizen über deine Gedanken, Gefühle und Reaktionen auf Ereignisse kann dir eigene Muster und Wiederholungen in deinem Denken und Fühlen aufzeigen.
- Feedback von anderen: Vertrauenswürdigen Freunden oder Mentoren können helfen, blinde Flecken zu erkennen
- Reflexion in Meditationspraxis: In Momenten der Ruhe und Stille kannst du aufkommende Gedanken oder Emotionen beobachten. Ein plötzliches Gefühl von Angst oder Unbehagen kann auf ein zugrunde liegendes Samskara hinweisen
Umgang mit Samskaras
Der zweite Schritt besteht darin, bewusst gewordene Samskaras richtig zu bearbeiten. Die Yoga-Praxis stellt dir hierfür einige Werkzeuge zur Verfügung. Der beste Weg, positive Samskaras zu fördern und negative zu transformieren, ist durch die praktische Übung:
- Pranayama (Atemübungen): Beim Atmen wird der Geist beruhigt und geöffnet für Akzeptanz und neue Erkenntnisse
- Körperliche Asanas: Durch längere Yoga-Haltungen kann der Schmerz und das Leid besser erforscht werden
- Achtsamkeit: Frage dich immer wieder: „Wo sitzt das Unbehagen?“, „Was möchte ich vermeiden?“, „Wann wird es schwierig?“
- Meditation: Selbst 5 Minuten am Tag stilles Sitzen kann dir Klarheit verschaffen und deine Bewusstwerdung fördern
Samskaras und Meditation
Deine Samskaras kannst du durch reine Denkprozesse nicht lösen. Psychologische Methoden, die an das Denken gebunden sind, haben daher leider wenig Erfolg. Mithilfe der Meditation schaffst du es aber, deinen Intellekt zu verlassen und deinem Unterbewusstsein etwas näher zu kommen.
Setze dich bequem hin, konzentriere dich auf deinen Atem und beobachte die Gedanken, die kommen und gehen, ohne daran festzuhalten. Während dem „Nichts-Tun“ lösen sich mentale Spannungen auf, was dir eine tiefe Ausgeglichenheit verschafft. Damit stellst du einen optimalen Kontakt zu deinen Gefühlen her und kannst sie erkennen und richtig zuordnen.
Fazit
Unser Leben wird von unsichtbaren Fäden gewebt. Wenn wir genau hinsehen, können wir sie erkennen und Einfluss auf sie nehmen. Samskaras sind unsere verankerten Prägungen und Gewohnheiten, die unser Denken, Fühlen und Handeln beeinflussen. Diese automatischen Muster können sowohl positiv als auch negativ sein. Sie haben Einfluss auf unsere Gedanken, Emotionen und sogar unsere Gesundheit.
In der Welt des Yoga sind Samskaras nicht nur Konzepte, sondern Türöffner zu unserem wahren Selbst. Indem wir Erfahrungen und Emotionen ohne Bewertung oder Ablehnung durch uns hindurchziehen lassen, lösen wir nicht nur bestehende Samskaras auf, sondern verhindern auch die Bildung neuer. Triffst du die Entscheidung, an dir zu arbeiten, ist die Yoga-Praxis dein treuer Begleiter auf diesem Weg.
„Unsere tiefsten Wunden sind oft die Quellen, aus denen wir unsere größte Weisheit schöpfen.“
(Richard Rohr)
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